KR352 Straßenbaubeitrag (Update, 24.9.2014)

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KR352

Trockener Titel. Er bedeutet: Viele Gemeinden haben kein Geld und wenn Straßen zu reparieren sind, kassieren die Verwaltungen einfach bei den Anwohnern ab. Zehntausende Euro. Dabei ist “Straßenbau” das erste, was einem einfällt, wenn Kinder fragen: Wozu sind denn eigentlich Steuern da? In den meisten deutschen Gemeinden gilt das nicht. Gerade hat das Bundesverfassungsgericht ein Verfassungsbeschwerde gegen diesen Missstand abgelehnt.

DocPhil ist nach Suhlendorf gefahren, eine kleine Gemeinde in Niedersachsen. Dort hat er Menschen getroffen, die Privatinsolvenz beantragen wollen, wenn die Straße vor ihrem Haus repariert wird, weil sie dann 25.000 Euro überweisen müssten. Eine allein erziehende Mutter sucht nach einem Zweitjob, um den Kredit abbezahlen zu können, den sie aufnehmen musste, weil die Kommune sie die Straße vor ihrem Haus bezahlen lässt. Einer geht noch: Wer keinen Kredit bekommt, dem stundet die Gemeinde die Kosten – für 6 Prozent. Die Gemeinde verdient also noch an der misslichen Lage, in die sie ihre Bürger gebracht hat.

Selbst der Bürgermeister von Suhlendorf gesteht im Gespräch, dass das wohl “nicht fair” sei und “nicht so sein sollte”. Aber er könne da nichts machen.

Unsinn, sagt Ernst Niemeier. Der pensionierte Professor für Volkswirtschaftslehre sollte selbst den Straßenbaubeitrag entrichten und hat – unterstützt vom Allgemeinen Verein für gerechte Kommunalabgaben – Verfassungsbeschwerde gegen die Kommunalabgabengesetze eingereicht, die den Gemeinden erlauben, ihre Bürger für die Straßen vor ihren Häusern zahlen zu lassen. Diese Beschwerde wurde jetzt abgewiesen. Als DocPhil mit Niemeier sprach, war das noch nicht klar.

UPDATE, 24.7.2014

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung gefällt zu wiederkehrenden Straßenbaubeiträgen und sie für zulässig erklärt. Die Pressemitteilung des BVG dazu hier.

Ernst Niemeier schreibt mir dazu:

“Dieses Urteil prüft das Vorhandensein eines besonderen Vorteils der Grundstückseigentümer nicht. Es geht davon aus und lehnt sich dabei an die Verwaltungsrechtsprechung an, dass ein solcher Vorteil besteht. Nicht die Zugangsmöglichkeit vom Grundstück aus wird durch die Straßenerneuerung verbessert (die im Übrigen durch den Erschließungsbeitrag abgegolten wurde), sondern die bessere und schonendere Nutzbarkeit der Straße. Diesen Vorteil haben alle Straßennutzer, die Grundstückseigentümer-Nutzer und die Fremdnutzer (die nicht mit der Allgemeinheit gleichzusetzen sind). Einen besonderen Vorteil für das Grundstück gibt es nicht. Die vom Gericht wiederholte Steigerung des Gebrauchswertes stimmt schon deshalb nicht, weil dieser Wert dann durch die Straßenabnutzung gesunken ist und die vermeintliche Gebrauchswertsteigerung nur ein Nachteilsausgleich ist. Es gibt keinen besonderen grundstücksbezogenen Vorteil. Deshalb entkräftet das Urteil unsere Kritik nicht.”

UPDATE, 24.9.2014

Verwaltungsgericht Osnabrück: Landwirt obsiegt mit Klage gegen Straßenausbaubeitrag – privater Anlieger verliert

49 Kommentare

  1. Die Leute im Dorf sind aber selbst dran schuld diesen Bürgermeister zu wählen.

  2. Das besondere an diesem Phänomen ist wohl das Berlin es seinen Hausbesitzern das nicht auferlegt. Daher haben Berliner davon noch nie gehört. Und gleichzeitig 75 Mrd. in den Miesen ist. Das ist wohl eine Spätfolge der Mauertraumzeiten.
    Das Problem ist wohl nur das es eine Zahlung ist die auf einmal kommt. Treffen tut es aber Hausbesitzer, die müssen auch im Alltag mit Reparaturkosten tragen.
    Wie viel der Staat (und welche Ebene) bezahlt hängt davon ab was es für eine Straße ist, bei Anliegerstraßen ist es mehr als bei Nebenstraßen und bei Hauptstraßen.

    Ich finde das Verursachungsgerecht. Denn wenn Grundstücke so liegen das mehr Straße zur Anbindung benötigt wird, dann sollte der Anlieger mehr zahlen. Das über reguläre Steuern zu egalisieren wäre denjenigen gegenüber unfair die in Mehrfamilienhäusern wohnen oder in schmalen Grundstücken und so weniger Anbinderstraße “verursachen”.

    • Ich habe das im Beitrag ja gesagt: Die Leute haben einmal für die Erschliessung des Grundstücks bezahlt, zahlen Grundsteuern und oft auch Einkommensteuer. Es geht hier auch nicht, um den Neubau einer Straße, sondern um die Reparatur von öffentlichen – im Fall von Bolko Müller von allgemein befahrenen – Straßen. Das muss der Staat bezahlen.

      • In dem Fall von Bolko Müller ist die Straße wahrscheinlich falsch klassifiziert. Wäre die Straße anders klassifiziert müsste er einen geringeren Prozentsatz zahlen. Neubau und Reparatur sind wirtschaftswissenschaftlich gesehen das gleiche. Weil eine Straße hält ja nicht ewig und muss quasi alle Jahrzehnte “neu gebaut werden”.

        Um plakativ zu sagen worauf ich hinaus will: In Berlin zahlt Kreuzberg für Zehlendorf. Denn im dichtbewohnten Kreuzberg teilen sich viele Anwohner einen Meter Straße, auch ohne Anliegerstraßen, also alle aus Sicht der Anwohner “besser klassifiziert”, in Zehlendorf dagegen gibt es pro Kopf viele Meter Straße. Viele davon Anliegerstraßen. Berlin sagt nun alle Straßen sind gleich. Das finde ich unfair.

        Grundsteuern beziehen sich auf den Grundstückswert. Der ist in der Innenstadt pro Quadratmeter höher. Einkommenssteuer bezieht sich aufs Einkommen. Da ist nirgendswo die Komponente wie viel “Straßenkosten” der Wohnstil des Einwohners der Gemeinde aufbürdet.

        • Aber das ist doch gerade der Witz von Steuern, dass Gemeinschaftsaufgaben finanziert werden, ohne dass nachgewiesen wird, dass jeder, der Steuern zahlt, die damit finanzierten Sachen auch gleichermassen nutzt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine Autobahn benutzt habe, trotzdem zahle ich dafür; Kinderlose finanzieren Schulen und Kitas mit. Es gibt Sachen, die die Gemeinschaft finanziert, unabhängig davon, wie viel jeder Einzelne diese Sache nutzt. Und Straßen gehören dazu. Würde ich sagen.

          • Aber es ist doch die Art der Wohnbaubesiedlung die diese Kosten ungleich verursacht. Das die Kosten “auf einen Schlag” kommen mag in der Praxis problematisch sein. Ich finde es aber nicht gerecht das alle gleich viel bezahlen sollen. Eine gleichmäßige Nutzung sehe ich auch nicht. Gerade bei dem Stichwort “Zersiedlung” sieht man doch, das die Belastung die einzelne Bürger der Gemeinschaft aufbürden höchst unterschiedlich sind. Eine solche Zurechnung ist eigentlich gut, denn Sie fördert das ökonomisch korrekte verhalten. Also jemand der in ein freistehendes Einfamilienhaus ziehen will, muss eben entsprechend mehr zahlen. Daher gibt es für LKWs (die Achslast war ja bereits Thema) eine Maut, und Benzin wird hoch besteuert. Dieses Prinzip nennt man Pigou-Steuer.

            http://de.wikipedia.org/wiki/Pigou-Steuer

            Bei Anwohnerstraßen kommt (sollte, wie ich erfahren haben nicht immer) der Verkehr von den Anwohnern. Es sind also nahezu ausschließlich die Anwohner und der “Zahn der Zeit” der die Straße kaputtmacht. Bei vom allgemeinen Verkehr mitgenutzten Straßen zahlt die Gemeinde dann ja kräftig mit, so war es in Berlin der Fall.
            Bei den Schulen und Kindergärten kann man auch Argumentieren, das dort nicht die Kinder der Bürger, sondern eher die Steuerzahler von Morgen ausgebildet werden.

            PS: Ein weiteres Beispiel: Meine Oma lebte in einem Reiheneinfamilienhaus. Das steht allerdings nicht an einer Straße sondern jeweils 8 Reiheneinfamilienhäuser sind im 90° Winkel an einer Anliegerstraße, von da aus führt ein Privatweg (zu 100% zu finanzieren). Das hat den Nachteil das Sie mit dem Auto nicht bis vor die Tür kam und den Privatweg finanzieren muss. Aber eben den Vorteil das es billiger im Bau (da profitierte Sie über die Erschließungskosten davon, Sie war Erstkäuferin) und im Unterhalt war. Es wäre ungerecht wenn Sie den Leuten in der gleichen Gemeinde Ihre Straße bis zum Haus bezahlen sollte.

            Nachdem ich den Podcast gehört habe, sehe ich das Problem des einmaligen Kostenblocks schon mehr. Meine Meinung über den Straßenbaubeitrag hat sich aber nicht geändert. Ich habe mir da schon im Berliner Wahlkampf Gedanken gemacht. Da hab ich mich über die CDU (&FDP) Forderung aufgeregt, die jetzt in Berlin Gesetz ist. Eine elegante Lösung wäre es den Anteil an spezieller Straßenanbindung in einen Aufschlag auf die Grundsteuer zu packen.

            Aber auch wenn wir hier nicht einer Meinung sind, möchte ich dir für den Podcast danken, wie auch generell für deine Arbeit.

            Grüße Tim

          • Nur ein paar Punkte:

            Zersiedlung ist sicher ein Problem. Den muss die Politik aber anders regeln, denn er ist nur ein kleiner Unteraspekt der Straßenbaubeiträge. Zersiedlung – und so war das auch in Suhlendorf – hat die Gemeinde selbst zu verantworten, weil Sie Geld durch Grundverkauf machen wollte. Um Zersiedlung zu verhindern, gibt es bessere Mittel mit weniger Kollateralschäden als der Straßenbaubeitrag.

            Anlieger-Straßen. Ich finde: Ist es eine öffentliche Straße, die von allen benutzt werden kann, muss sie auch von allen bezahlt werden.

            Aber das ist ein Steuersystematischer Streit, den wir hier wohl nicht endgültig ausdiskutieren können. Ich finde es nach wie vor sehr ungerecht. Denn die Höhe der Beiträge ist auch entscheidend für die Frage “Ok oder nicht?”. Ein paar Euro für die Straße, weil die Gemeinde klamm ist, das mag noch ok sein. Aber 25.000 Euro? 6 Prozent Zinsen für jene, die sich einen normalen Kredit nicht leisten können? Weil die Gemeinde kein Geld hat? Das ist einfach nicht ok.

          • Die sozialen Härten sind natürlich nicht OK. Aber die Maximalforderung das deshalb die Allgemeinheit die Straße zu zahlen hat, und es bei der Finanzierung des Straßennetzes keinerlei Differenzierung gibt ob einer in der gleichen Gemeinde

            *10 Meter Anliegerstraße (2 Personen in einem freistehenden Einfamilienhaus mit 20 Meter Grundstücksbreite)
            oder
            * 0,2 Meter Anliegerstraße (Mehrfamilien-Reihenhaus mit Seitenflügel 20 Meter breit, 50 Personen)

            in Anspruch nimmt gleich viel (über die Gemeindekasse) Zahlen soll finde ich nicht gerecht. Das Problem der Einmal-Zahlung und darauf aufbauend die “Lösung” mit hohen Zinsen sind natürlich fragwürdig und nicht ok. Auch problematisch ist, das viele das nicht kennen, und sich deshalb nicht langfristig darauf einstellen. Falls jemand in Sozialleistungen ist, müsste er dafür benötigte Ersparnisse aufbrauchen etc.
            Aber es handelt sich hierbei um eine Verursachungsgerechte Gebühr. Wer mehr Straße mit seinem Grundstück belegt, muss mehr bezahlen. Eine andere Nachbarschaft (in der gleichen Gemeinde) die sparsamer mit dem Gut Straßenanbindung umgeht (mehr Privatwege, Reihen statt Einzelhäuser, Mehrfamilienhäuser statt Einfamilienhäuser, Grundstücke mit der kurzen Seite zur Straße statt der langen) spart entsprechend.

            Die Argumentation das jeder das benutzen kann, die kann ich vom ersten Ansatz zwar nachvollziehen, sie greift aber meines Erachtens nicht. Und auch der klagende Volkswirt liegt meiner Meinung nach falsch.
            Es kann ja auch jeder die Kreisstraße benutzen und trotzdem muss die nicht jemand aus einem anderen Kreis mitfinanzieren. Und die Landesstraße muss jemand aus einem anderen Bundesland auch nicht bezahlen.
            Es ist eben ein öffentliches Gut einer eingeschränkten Öffentlichkeit. De Facto benutzen eine Anlieger-Straße nur die Anlieger, deren Gäste oder Firmen die für Sie arbeiten wie die Müllabfuhr.
            Zumindest sollte es so sein, wenn man die Straßen richtig klassifiziert. Wäre Sie anders klassifiziert, sinken Beteiligungsquoten ja.

            Aber wahrscheinlich stimmt es: Diese Steuerthemen kann man nicht ausdiskutieren. Wenn die Argumente vorgetragen sind, dann sind sie halt gesagt und jeder hat seine Meinung. Die Meinungen sind dann zwar qualifizierter, aber jeder hat trotzdem seine eigene Meinung, weil jeder ja ein unterschiedlicher Mensch ist.

            PS: Die Gemeinde hat die Zersiedelung im allgemeinen zu verantworten, aber die Anwohner eben im speziellen. Daher ist es effektiver gleich denen die Kosten dafür aufzubürden.

            PPS: Im Nachlesen meiner Kommentare möchte ich etwas präzisieren: In Berlin gab es traditionell keine Anliegerbeteiligung, unter Rot-Rot wurde Sie eingeführt. Und nun auf Druck der CDU wieder raus genommen, so wie sie es in ihrem Wahlkampf 2011 versprochen hat. Daher meine Anmerkung/Vermutung dass das ursprüngliche nicht vorhandensein der Anliegerbeteiligung wahrscheinlich aus den privilegierten Zeiten von Mauer – Westberlin stammt.

    • > Ich finde das Verursachungsgerecht.

      das ist uebelstes neoliberales neusprech, das nichts anderes bedeutet, als dass der soziale zusammenhalt einer gesellschaft aufgekuendigt wird. jeder bekommt das, was er sich leisten kann!

      • Wenn die Alternative ist das Leute mit kleinen Häusern, Leuten mit großen Häusern die Straße vor dem Haus zahlen, dann ist meine Position sicher nicht “neoliberal” – zumindest wenn Sie damit “unsozial” meinen. Genau das ist aber der Fall der in Berlin passiert. Das Gesetz wurde Geändert, die Beteiligung wieder abgeschafft. Die Profiteure der Immobilienpreisrallye werden bekommen die Sanierung gestellt, von dem Bundesland mit der höchsten Verschuldung in Relation zum BIP. Natürlich sind nicht alle in großen Häusern / großen Grundstücken reich, natürlich sind nicht alle Immobilienbesitzer reich, aber das es da einen Statistischen Zusammenhang gibt ist nicht von der Hand zu weisen. Ganz abgesehen von den falschen Anreizen die so beim Neubau entstehen.

        Man sollte den Nettoeffekt einer Forderung betrachten, bevor man eine moralische Position ergreift.

  3. Ich komme aus BaWü.
    Mir ist dies auch total neu, und verschiebt meine Sichtweise für was die Gemeinden ihr ihren Haushalt aufwenden total..
    Der Bürgermeister ist gerade auch noch Architekt und spricht über diese Problematik wie in Bauer über die fashion week. Versteh ich nicht. Die Gemeinde kann über jahrzehnte nicht recht Haushalten, also zählen Bürger, sondergebühren die sie an den Rand ihrer Existenz bringen. Einfach so. Einfach SO, mal eben.
    Genau dazu hat man eine Gemeinschaft, die sowas abfedert.
    Solche Gesätze sind doch wie Wegelagere aus dem mittelalter.

    Kann man sich gegen solche Gebühren eigendlich Versichern?

    Ich finde Die Gemeinde sollte nicht verpflichtet sein bei Klammen Kassen den Wegebau auf die Anwohner abzuwälzen, sondern verpflichtet sein vorausschauend zu planen, und eventuell zur Not von allen Gemeindemitgliedern frühzeitig erhöhe Gemeindesteuern einzuführen damt solche Wege auch bezahlt werden können.
    Es geht ja hier nicht um den privaten Weg auf einem privaten Grundstück. Es geht um einen Weg der jeder benutzen kann. Jeder! Ich kann mich immer dort hinstellen und mich immer darauf berufen, das dies öffentlicher Raum sei. Oder wie?

    Vor allem ist die Gebührenhöhe ein Unding. Bei solch hohen Grbühren nimmt man den privaten Ruin billigend in Kauf.

  4. Sehr schöne Sendung. Gleichzeitig sehr trauriges Thema. Bin selber betroffen, wobei das ärgerliche Tatsächlich das anliegende Gewerbe mit Schwerlastverkehr ist, welches die Straßen – wie gehört – wesentlich stärker abnutzen.

    Würde sich eine (Lobby)initiative gründen, welche stark die Interessen der Betroffenen unterstützt, würde ich mich gerne (auch finanziell) anschließen.

  5. Darum höre ich Podcasts. Großartige Reportage mit tollen Interviews. Das Thema ist bitter aber dein Handwerk verstehst du echt gut Philip. Weiter so.

  6. Großartiger Podcast, auch wenn ich hier mit offenem Mund sitze. Demokratie nannte sich das hier, oder? Alle Macht vom Volke und so? Am schockierendsten finde ich wirklich den Fatalismus und die berichteten Handlungsweisen vom Bürgermeister bzgl. der eigenen Freiheit als Gemeinde Dinge zu beschließen. Da klingt das handeln von der Kommune im ersten Moment mal nach Erpressung. Ohne Worte.

  7. Kontroverses Thema, viel Arbeit von DocPhil. Zum obligatorischen Flattr habe ich, aus Anerkennung, nun das erste Mal auch via Flattr X€ extra gespendet. Folgt alle meinem Beispiel!

  8. Das zerstört ein wenig den Traum vom Haus auf dem Land als Alternative zur überteuerten Stadtwohnung.

  9. Ich wohne in einem kleinen Dorf in Bayern. Schwaben. Donau-Ries. 600 Einwohner. 160 Haushalte. Ich bzw. meine Mutter (alleinstehend, Floristin) steht vor demselben Problem. Das Haus wurde geerbt. 80% gehören meiner Mutter. 20% noch der Bank. Wird von uns beiden bewohnt.

    Vor 2 Jahren wurde von den Gemeinderäten beschlossen, die Strassenbaubeiträge auf alle Haushalte gleichmässig zu verteilen. Heißt … egal wo im Dorf die Strassen erneuert werden, es zahlen immer alle Haushalte. Allerdings nur die Haushalte, die Grundbesitz haben. Mieter zahlen nicht.

    Schätzungen (BM) zufolge kommen auf die Einwohnen alle 2 Jahre Kosten zwischen 2500 und 4000 Euro zu. Ratenzahlungen ohne Zinsen.

    Das selbe Verfahren soll jetzt 2013 oder 2014 bei der örtlichen Kläranlage gefahren werden.
    Nach der alten wurde die letzten 15 Jahre nicht gekuckt. Auser dass vor 2 Jahren ein Auffangbecken (1.000.000 €) gebaut wurde. Jetzt soll alles kaputt sein. Geld ist keins mehr da. Jetzt ist der Anschluss an die nächst größere Stadt geplant. Kostenpunk. 1.000.000 €

    Selbiges Verfahren auch bei den Kanalarbeiten vor 4 o. 5 Jahren.

    Ans Fernwärmenetz kann man sich in den nächsten 2 Jahren auch anschliesen lassen. Wenn man die 5000 bis 7500 € noch zusammen bring. Wenn nicht. Dann nicht.

    Auf meine Anfrage ob sie beim dritten Strassenaufriss an schnelleres Internet gedacht haben, wurde mir mitgeteilt, dass das zu teuer sei. Tssss

    Hier läuft so viel falsch das es einem nur schlecht werden kann. Allerdings werden wir uns das nicht mehr lange anschauen müssen. Ich glaube nicht, dass wir (beide Berufstätig, VZ) die Strasse, die Kanalrohre, die Kläranlage und das Haus halten können.

    So kann man auch Gentrifizierung betreiben.

    Und ja, unser Bürgermeister ist natürlich CDU-Mann.

    • Krass. das habe ich noch nicht gehört, dass a) alle Straßen eines Dorfes quasi per Umlage von allen bezahlt werden und dass b) nicht nur Straßen, sondern auch andere Gemeinschaftsgüter per Extra-Umlage von den Bürgern bezahlt werden sollen. Das toppt die Straßenbaubeiträge noch. Würden Deine Mutter, Anwohner, Betroffene mit mir reden?

    • aus derselben gegend kenne ich die problematik der strassenfinanzierung durch die anwohner schon seit mitte der 1990er jahre. aber das mit der klaeranlage war mir neu…

  10. Hallo Philip,

    danke fuer den Beitrag, ich bin in Boeddenstedt aufgewachsen (bis 25). Ist ja ein Ding.
    Aber zum Thema: Wenn die Anwohner schon bezahlen, koennen sie dann nicht einen Schlagbaum aufstellen und Maut von dem Muellwagen kassieren? Per Achslast sozusagen?

    Gruessle aus Paris

    • Das wäre ne Idee. Bin sicher, dass es irgendwann so kommt, wenn jetzt auch schon Kläranlagen per Sonderumlage bezahlt werden. Irgend sagen die Leute nicht mehr “unser”, sondern “meins”.

  11. dieser fatalismus ist wirklich erschreckend! vor allen dingen, weil er einem im echten leben auch an jeder ecke begegnet…

    kein wunder schaffen es solche buergermeister ins amt zu kommen, und wohl auch darin zu bleiben… ein trauerspiel ist das…

  12. Habe jetzt auch nochmal “extra” geflattrt.
    Aber eine Frage hätte ich noch: Seit wann ist das denn in Ba-Wü abgeschafft. Ich kann mich hier auch an einige Fälle erinnern, bei der die Anwohner für den Neubau der Straße zahlen sollten. Ich hatte das bisher immer für normal gehalten, wenn auch nicht fair.

  13. Ich appelliere im Übrigen an alle Hörer und Kommentatoren, sich bei Flattr anzumelden und das Küchenradio dort “zu abonnieren”, sprich: erst auf “Flattr this”, dann auf “Subscribe” klicken, dann bekommt “kuechenradio.org” monatlich einen Flattr. (http://flattr.com/thing/11181/kchenradio-org)

    Es ist nämlich etwas traurig, dass in all den Jahren nur 2700 Flattrs für das Gesamtangebot zusammengekommen sind.

    Danke!

  14. Ein überragender Podcast. Insbesondere weil es eine echte Reportage ist, inklusive Rumfahren, mit verschiedenen Akteuren sprechen, lies: enorm viel Arbeit. Vielen, vielen Dank dafür, Doc Phil. Ich hoffe, alle Hörer haben wie ich brav auf den Flattr-Knopf gedrückt, damit es so etwas demnächst wieder geben kann.

    • Dafür reicht das “Knopfdrücken” wohl nicht aus; es sei denn, ich unterschätze den “Click-Value” der einzelnen Hörer gewaltig. (Man kann auch spenden via Flattr. Spendet!)

  15. Extra 3 hatte das in Hamburg auch mal aufgegriffen. Wobei es da eine Straße gibt, die nichtmal eine Straße ist http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/media/cc584.html

  16. Hallo Philip,

    super Sendung! Ich bin immer begeistert mit welchem Elan Du auf die Menschen in den Interviews zugehst.

    Zum Thema: Ich bin Berliner und wohne in einer Mietwohnung, bin also kein direkt Betroffener. Meiner Meinung nach kann man prinzipiell verstehen, wenn Gemeinden finanziell keinen Spielraum haben und sich unter diesen Zwang aus bestimmten Aufgaben zurückziehen und sich (so meine Unterstellung) auf wichtigere Dinge konzentrieren. Ich denke es gibt einiges was wichtiger ist als Anliegerstraßen. Jedoch ist das Vorgehen, wie das geschieht, sehr ungerecht. Nach dem Podcast hat man den Eindruck, dass die Gemeindeverwaltungen einfach so weitermachen wie bisher, nur, dass ein anderer die Rechnung bezahlt. Aber wenn jemand 90 oder 100% einer Straße zahlen muss, mit der Begründung er ist der einzige, der davon was hat, der soll auch selbst bestimmen können, wann und wie die Straße erneuert wird. Aber das kann nicht funktionieren, so lange die Transparenz nicht mal so weit reicht, dass die Anwohner die genauen Kosten kennen (also wahrscheinlich nie das Angebot der Baufirma gesehen haben).

  17. 19. Februar 2013 um 18:08 Uhr
    Dr. Ernst Niemeier

    Nachdem ich in den letzten Wochen auch mit vielen anderen Themen befasst war, muss ich mich nun endlich in die Diskussion einschalten. Ich will zu der Abweisung des Bundesverfassungsgerichts und den sich daraus ableitenden Folgen etwas sagen. Und ich denke, ich muss dabei noch einmal aufzeigen, dass Straßenbaubeiträge vor allem gegen die Gleichbehandlungsforderung des Artikels 3 GG verstoßen.

    Zur Abweisung des Bundesverfassungsgerichts: Es hat kein Urteil gefällt, d. h. es hat die in der Verfassungsbeschwerde beanstandete Grundrechtsverletzung nicht abgewiesen. Vielmehr hat es sich vor dem Urteil gedrückt. Es wies die Beschwerde ab, weil es der Meinung ist, dass diese beanstandete Grundrechtsverletzung nicht von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung sei. Begründet hat das Bundesverfassungsgericht dieses Meinung nicht. Es ist aber schon merkwürdig, der Verletzung des Artikels 3 GG die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung abzusprechen, da dieser Artikel 3 und die darin enthaltene Gleichbehandlungsforderung für gleiche Sachverhalte die zentrale Grundgesetznorm für die Gestaltung des Steuer- und Abgabenrechts ist. Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht auf meinen kritischen offenen Brief an das Gericht geantwortet und behauptet, dass ich auch in der Sache nicht hätte erfolgreich sein können. Diese Aussage begründet das Gericht aber mit dem gar nicht zur Diskussion stehenden Hinweis, dass es für die Beitragserhebung nicht notwendig sei, die Straße auch tatsächlich zu nutzen. Es müsse nur die Möglichkeit bestehen, sie nutzen zu können. Das ist bekannt und wird von mir auch gar nicht bestritten. Meine Verfassungsbeschwerde zielte auf ein ganz anderes Problem: Auf die ungleiche Behandlung der tatsächlichen oder potenziellen Straßennutzer. Die Grundstückseigentümer benutzen die Straße nicht anders als alle anderen Straßennutzer auch. Sie haben keinen besonderen Vorteil von der Straßensanierung. Deshalb dürfen sie nicht mit Beiträgen belastet werden. Dass Grundstücksbesitzer keine besonderen Vorteil von der Straßensanierung haben können, ergibt sich auch aus der Anerkennung des örtlichen Verkehrsnetzes als sog. “öffentliches Gut”. Für öffentliche Güter ist eine Nutzen- oder Vorteilszurechnung nicht möglich. Sie ist deshalb auch für Grundstücksbesitzer nicht möglich. Wenn ein besonderer Vorteil nicht feststellbar ist, dürfen keine Beiträge erhoben werden. (An dieser Stelle sollte auch einmal der Hinweis ausgesprochen werden, dass Grundstückseigentümer in der Mehrzahl der Fälle nicht zu den Reichen zählen, was allerdings nicht Teil der Grundrechtswidrigkeit ist).
    Da sich das Bundesverfassungsgericht bei der Feststellung des Grundrechtsverstoß in die Büsche geschlagen hat, versagt hat, müssen wir jetzt wieder auf der politischen Ebene aktiv werden. Wir planen, durch eine bundesweite Unterschriftenaktion noch vor der Bundestagswahl einen Sturm der Entrüstung auszulösen und die Politiker dazu zu bewegen, die eklatante Ungerechtigkeit der Straßenbaubeiträge zu beseitigen. Das sollte auch über das Internet bzw. über E-Mails ermöglicht werden, damit wirklich ein großer Teil der Betroffenen erreicht wird. Allerdings weiß ich noch nicht, wie das technisch zu bewerkstelligen ist. Für die technische Realisierung und für die anschließende Unterschriftenaktion ist jede Hilfe willkommen.

    • Es ist leider völlig illusorisch zu glauben, dass auf politischem Wege irgendetwas zu erreichen sei. Bekanntlich werden die Richter des BVG von den Parteienspitzen nach den jeweils vorherrschenden Machtverhältnissen mit ihren Günstlingen besetzt – weil sie deren Interessen dann auf höchster Ebene vertreten.
      Dieser Umstand erklärt auf ganz einfache Weise die verschiedenen haarsträubenden Urteile bzw. Antragsabweisungen der letzten Jahre – insbesondere auch in Sachen ESM und Europäischer Union, der es bis heute an jeglicher demokratischer Legitimation fehlt.

      Ich stehe kurz vor der Auseinandersetzung mit der Gemeinde in Sachen Strassenausbaubeitrag, kann der Gemeide aber womöglich Rechtsmißbrauch und andere Hässlichkeiten nachweisen:

      Gewerblicher Schwerlastverkehr (Sondernutzung) wurde offenbar nicht nur widmungswidrig sondern auch ohne die gesetztlich vorgeschriebene Beteiligung der Strassenbaulastträger in einen Eigentümerweg eingebracht.

      Hierbei handelt es sich um eine schmale, im Mittel ca. 3 Meter breite Sackgasse, ohne Bordsteine und Wende- oder Ausweichmöglichkeit. Die Anwesen grenzen mit Mauern, Ausfahrten und Büschen direkt an die Strasse, die dadurch völlig unübersichtlich ist.

      Natürlich bestehen seitens der Gemeine keine Bedenken hinsichtlich der Gefährdung spielender Kinder durch nach Rückspiegel (!) auf dieser Strasse 200 Meter weit zurücksetzenden Schwerlastverkehr.

      Womöglich hat es die Gemeinde in ihrer Eigenschaft als Strassenbaubehörde – trotz völlig offensichtlicher Zerstörung der Strasse – in einen Zeitraum von 20 Jahren mithin 5x pflichtwidrig unterlassen, die Träger der Strassenbaulast aufzufordern, die Strasse instandzusetzen. Das hätte die Kostenträger nämlich veranlassen können, die Sach- und Rechtslage frühzeitig zu würdigen und rechtliche Maßnahmen zu ergreifen.

      Die vor der Gemeide den Anliegern geschuldete, ordnungsgemäße Widerherstellung der Strasse nach Reparaturarbeiten an Wasser- und Kanalrohren wurden mit abenteuerlichster unterfränkischer Strassenbaukunst abgegolten. Der Aushub wurde wieder ins Loch verfüllt, völlig unzureichend verdichtet und: Die letzten 5 Löcher wurden nicht mal mehr geteert, sondern mit Gehwegplatten belegt. Hahaha.

      Sicher überrascht es nun niemanden mehr ersthaft, zu erfahren, dass die Begünstigte dieser ganzen Aktion seinerzeit (parteizugehöriges) Mitglied des Gemeinderats war, sich damals von ihren Kumpels die Ausübung ihres Gewerbes in der Anliegerstrasse genehmigen ließ und fortan die Strasse mit täglichem Schwerlastverkehr zu Klump fuhr. Natürlich sollen die Anlieger jetzt dafür zahlen.

      Aber vielleicht kriege ich sie auch am Allerwertesten. Mal sehen.

      Wie man daraus jedenfalls ersieht, zieht sich die Spur der Zersetzung durch Vorteilsnehmer, Günstlinge und Amigos durch die gesamte politische Landschaft – von niedrigster Kommunalebene bis zum BVG. Fast alle gehören sie Parteien an. Das sollte uns zu denken geben…

  18. 19. Februar 2013 um 18:14 Uhr
    Dr. Ernst Niemeier

    Ich will zu meinem vorhergehenden Kommentar noch ergänzen, dass der Antwortbrief des Bundesverfassungsgerichts auf meinen offenen Brief, der an meiner Beschwerdebegründung völlig vorbei geht, bestätigt, dass das Bundesverfassungsgericht mit der begründungslosen Abweisung der Beschwerde eine krasse Fehlentscheidung getroffen hat.

  19. Der Podcast hat mir auch sehr gefallen. Einen Geschichte dazu habe ich auch.
    Vor dem Haus meiner Eltern wurden ploetzlich kurz vor diesen Winter die Loecher in
    der Strasse geflickt. Die wesentlich groesseren Loecher davor und dahinter
    hingegen nicht. Das war sehr wunderlich bis uns der Nachbar erzaehlt hat, dass
    er dafuer verantwortlich ist. Er hat diese Loecher gut dokumentiert und einen
    Bericht mit Fotos bei der Gemeinde abgegeben (hat sich auch eine Kopie mit
    Eingangsstempel geben lassen). Keine zwei Wochen spaeter wurden die
    dokumentierten Loecher geflickt. Angeblich [Nachweis fehlt] kann die Stadt die
    Kosten fuer einen Neubau nicht mehr auf die Anwohner umlegen, wenn sie die
    Pflege (dafuer ist sie zustaendig) versaeumt hat und der Neubau deswegen
    noetig ist. Viele Strassen werden zu spaet geflickt, aber der Nachweis, dass
    ein Versauemnis vorgelegen hat, wenn die Strasse hinueber ist, fehlt meist. Also meldet
    Eure Strassenschaeden.

  20. Anwohner müssen 20 jahre rückwirkend für den Strassenbau in Bayern zahlen!
    ein Bericht vom BR-quer:
    http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/quer/130221-quer-strassengebuehr-100.html

  21. Warum habt ihr kein Spendenkonto?

  22. Pingback: NG079 – Lokalhypertrichose | Netzgespräche

  23. Die wohl beste Podcastfolge alles Podcasts die ich jemals gehört habe. Bravo!!!

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